9. November – mit einer weiteren Expedition ins Tierreich

Wer mich kennt, weiß: Ich bin eine Hundenärrin. Die Familienlegende besagt, dass ich die Welt des gesprochenen Wortes nicht mit einem „Mama, Papa, Auto“ betreten habe, sondern mit „Wau-Wau“. Angeblich haben mich die ersten Schritte, für die es keine helfende Hand mehr brauchte, schnurstracks zu jedem Vierbeiner geführt, auch wenn dessen Stockmaß meine eigene Körpergröße weit überragte. Kurz: Ich liebe Hunde und habe für alle Menschen Verständnis, die einen Hund haben möchten. Schon oft habe ich elterlichen Unmut auf mich gezogen, weil ich sehr eindeutig und sehr einseitig die Position des Kindes eingenommen habe, auf dessen Geburtstagswunschliste etwa einhundert Mal das Wort „Hund, Hund, Hund ….“ geschrieben stand, nachdrücklich ergänzt um ein „Biiiiitttttteee!“ Ich habe diesen Wunsch immer tatkräftig unterstützt.

Denn Hund tut gut – der Seele und dem Körper und den kommunalen Finanzhaushalten, weil wir Hundebesitzer mit der Entrichtung der Hundesteuer einen wichtigen Beitrag zu ihrer Konsolidierung uns Stabilisierung leisten.

Aber nur weil ich Hunde mag – oder vielleicht auch weil ich Hunde mag – heißt das noch lange nicht, dass ich Verständnis für die neue Trendsportart Hobby Dogging habe. Dabei führen Hobby Dogwalker ein Hundegeschirr oder eine Hundeleine über einen Hundeplatz, an deren Ende das Nichts lauert. Ein Garnichts. Die Tiere, von den Leinenführern bisweilen sogar mit Namen versehen, sind bloße Hirngespinste und existieren nur in der Phantasie. Die Menschen laufen mit ihren Kopfgeburten über einen Parcours, lassen die imaginären Vierbeiner über Hindernisse springen, loben sie, „streicheln“ sie und vergeben ab und an ein Leckerli, das es selbstredend auch nicht wirklich gibt. Ach so, das alles geschieht unter professioneller Anleitung einer Hundetrainerin.

Das Netz lacht über die Hobby Dogger. Und so bizarr das Ganze auch ist: Das finde ich ziemlich gemein. Mich packt eher eine tiefe Welle von Mitgefühl für diese arme Menschen, die aus welchen Gründen auch immer – kein Geld, keine Zeit, keine Wohnung oder kein geeigneter Gesundheitszustand – keinen real existierenden Vierbeiner in ihr Leben holen können. Aber ob es wirklich die beste Idee ist, sich mit einer Luftnummer am Ende der Leine oder des Hundegeschirrs zu begnügen? Diese Frage stelle ich natürlich rein rhetorisch.

Mit einer Leine kuschelt es sich auf dem Sofa nicht wirklich gut. Eine Leine ist nicht gesundheitsfördernd, weil sie den Spaziergang bei drei Grad und Graupelschauer nicht einfordert. Vieles von dem, was ein Hundeleben so wunderbar macht, entfällt, wenn der Hund ein Halsband ist – vor allem die vielen kommunikativen Begegnungen beim Spazierengehen, wenn sich die Tiere begegnen. Oder übt man das? Wie sich Leinen umkreisen und das eine Geschirr das andere beschnuppert? Möglicherweise gibt es sogar Nachhilfe in Hundehalter-Sprech: „Hündin oder Rüde? Bub? Kastriert?“

Und ich frage mich, ob die Grundfrage höflicher Hundebesitzer, die sich im Wald begegnen, beim Hobby Dogging auch gelehrt wird: „Soll ich meine Leine an die Leine nehmen?“